So wachsen Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl – das Kind wird stark
Kinder brauchen nicht nur Selbstvertrauen, sondern auch eine ordentliche Portion Selbstwertgefühl. Erziehungs-Coach Maya Risch klärt auf, wo die Unterschiede sind und wie Eltern beides stärken können.
(Erstmals erschienen auf www.familienleben.ch)
Selbstvertrauen allein reicht nicht, um zu einer starken Persönlichkeit heranzuwachsen. Eltern sollten auch das Selbstwertgefühl ihrer Kinder fördern.
Wir Eltern wollen, dass unser Kind viel Selbstvertrauen und ein gesundes Selbstwertgefühl entwickelt. Beides, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind von grosser Bedeutung in unserem Leben.
Im alltäglichen Sprachgebrauch werden die beiden Begriffe häufig synonym verwendet. Eine Unterscheidung ist aber nötig, weil sich Selbstwertgefühl anders entwickelt als Selbstvertrauen.
Selbstvertrauen oder Selbstwertgefühl?
Ich erlebe immer wieder, dass Eltern ihr Kind viel loben, in der Absicht, das Selbstwertgefühl des Kindes zu stärken. Dadurch wird jedoch stattdessen das Selbstvertrauen gestärkt. Wie Selbstwertgefühl wachsen kann, beschreibe ich gleich ein paar Zeilen weiter unten.
Selbstvertrauen
Beim Selbstvertrauen geht es um die Frage: Was kann ich? Wenn ich etwas gut kann, habe ich in diesem Bereich viel Selbstvertrauen. Das führt dazu, dass ich sagen kann:
«Ich fühle mich gut, weil ich in einem Thema gut Bescheid weiss, etwas gut kann, Leistung bringe oder etwas gut beherrsche.»
Das Selbstvertrauen unseres Kindes stärken wir, indem wir…
- das Kind in einem guten Mass und bei guter Leistung loben.
- die Selbstdisziplin stärken, also das Kind dazu anhalten, etwas zu üben, sich anzustrengen, dranzubleiben und erleben lassen, dass es damit etwas erreichen kann.
- Erfolgserlebnisse hervorheben und feiern (Sport, Schule, neu erlernte Fähigkeiten): «Das kannst du gut», «Das hast du geschafft».
Selbstwertgefühl
Viel Selbstvertrauen zu haben, hilft leider nicht, das Selbstwertgefühl zu steigern.
Dazu fällt mir eine Szene aus dem Film «Cool Runnings» ein, in welchem der Trainer, ehemaliger Olympiasieger, von seinem jamaikanischen Bobpiloten gefragt wird: «Warum hast du eigentlich Doping genommen, nachdem du Olympiasieger geworden warst, das verstehe ich nicht. Du hattest doch alles erreicht.»
Seine Antwort: «Wenn du ohne Olympiasieg niemand bist, bist du auch mit Olympiasieg niemand.» Der Olympiasieg hatte zwar das Selbstvertrauen des Sportlers gestärkt, aber ihm nicht zu einem gesunden Selbstwertgefühl verholfen.
Umgekehrt kann ein gesundes Selbstwertgefühl dabei helfen, geringes Selbstvertrauen in einem Bereich auszugleichen. Das ist so, weil ein Kind mit einem guten Selbstwertgefühl den Mut hat, etwas, was es nicht sofort kann, nochmals zu versuchen und nicht gleich denkt «Das ist sowieso umsonst, ich bin nicht gut genug.»
Dies ermöglicht es ihm, zu erleben, dass seine Fähigkeiten durch Üben verbessert werden, was dann wiederum das Selbstvertrauen in diesem Bereich stärkt.
Ein gesundes Selbstwertgefühl ist der wirksamste Abwehrmechanismus gegen Schikanen, Mobbing, körperliche Gewalt und persönliche Kritik. – Jesper Juul
Beim Selbstwertgefühl geht es um die Frage: Wer bin ich? Wenn ich mich mit all meinen Eigenheiten annehmen kann, wie ich bin, habe ich ein gesundes Selbstwertgefühl. Dann kann ich von mir sagen:
«Ich fühle mich gut, weil ich bin, wer ich bin.» «Ich fühle mich wertvoll, auch wenn die Dinge nicht immer so laufen, wie ich es mir vorstelle.» «Meine ganze Persönlichkeit ist ok so wie sie ist, ohne dass ich etwas Bestimmtes leisten oder können muss.»
Mit einem gesunden Selbstwertgefühl erleben wir Konflikte und Kritik nicht als etwas Bedrohliches und nehmen diese nicht persönlich. Das hilft, reife Beziehungen einzugehen, begünstigt das soziale und kognitive Lernen und hilft auch dabei, Schwierigkeiten im Alltag gelassener zu meistern.
Das Selbstwertgefühl trägt somit massgeblich dazu bei, dass wir uns als Menschen wohl fühlen und unsere Lebensfreude und ‑qualität steigt.
Das Selbstwertgefühl unseres Kindes wächst, wenn es sich von mindestens einer wichtigen Person in seinem Umfeld bewusst «gesehen» und akzeptiert fühlt, so wie es ist und wenn es erlebt, dass es für andere Menschen wertvoll ist, ohne sich verstellen, zu sehr anpassen oder etwas leisten zu müssen.
Wir stärken das Selbstwertgefühl unseres Kindes, indem wir…
- die Eigenheiten des Kindes annehmen.
- ihm Eigenverantwortung überlassen.
- seine Grenzen und Bedürfnisse ernst nehmen und in den Alltag einbeziehen.
- dem Kind liebevolle Blicke schenken.
- gemeinsame Zeit geniessen und mit dem Kind zusammen lachen.
- präsent sind (ohne Handy) und dem Kind wirklich zuhören.
- das Kind nicht mit anderen vergleichen – es ist einzigartig.
- das Kind darin bestärken, seinen Gefühlen zu vertrauen.
Natürlich stärken wir das Selbstwertgefühl unseres Kindes auf vielfältige Weise auch über unsere Sprache. Dazu ein andermal mehr. Obige Ideen sollen zeigen, was wir ohne viele Worte mit unserer Haltung, Wertschätzung und Zuwendung zur Stärkung beitragen können. Kinder lernen durch das, was wir tun, oft mehr als dadurch, was wir zu ihnen sagen.
«Selbstwertgefühl stärken» ist übrigens eines der Themen, mit dem wir uns auch in meinen familylab Elterngruppen ausführlich beschäftigen.
Literaturtipp: Dan Svarre, «Du bist einzigartig» Starker Selbstwert – starkes Kind