So wachsen Selbst­ver­trauen und Selbst­wert­ge­fühl – das Kind wird stark

Kinder brau­chen nicht nur Selbst­ver­trauen, sondern auch eine ordent­liche Portion Selbst­wert­ge­fühl. Erzie­hungs-Coach Maya Risch klärt auf, wo die Unter­schiede sind und wie Eltern beides stärken können.

(Erst­mals erschienen auf www​.fami​li​en​leben​.ch)

Foto: Lisa5201, iStock, Getty Images Plus

Selbst­ver­trauen allein reicht nicht, um zu einer starken Persön­lich­keit heran­zu­wachsen. Eltern sollten auch das Selbst­wert­ge­fühl ihrer Kinder fördern.

Wir Eltern wollen, dass unser Kind viel Selbst­ver­trauen und ein gesundes Selbst­wert­ge­fühl entwi­ckelt. Beides, Selbst­wert­ge­fühl und Selbst­ver­trauen sind von grosser Bedeu­tung in unserem Leben.

Im alltäg­li­chen Sprach­ge­brauch werden die beiden Begriffe häufig synonym verwendet. Eine Unter­schei­dung ist aber nötig, weil sich Selbst­wert­ge­fühl anders entwi­ckelt als Selbstvertrauen.

Selbst­ver­trauen oder Selbstwertgefühl?

Ich erlebe immer wieder, dass Eltern ihr Kind viel loben, in der Absicht, das Selbst­wert­ge­fühl des Kindes zu stärken. Dadurch wird jedoch statt­dessen das Selbst­ver­trauen gestärkt. Wie Selbst­wert­ge­fühl wachsen kann, beschreibe ich gleich ein paar Zeilen weiter unten.

Selbst­ver­trauen

Beim Selbst­ver­trauen geht es um die Frage: Was kann ich? Wenn ich etwas gut kann, habe ich in diesem Bereich viel Selbst­ver­trauen. Das führt dazu, dass ich sagen kann:

«Ich fühle mich gut, weil ich in einem Thema gut Bescheid weiss, etwas gut kann, Leis­tung bringe oder etwas gut beherrsche.»

Das Selbst­ver­trauen unseres Kindes stärken wir, indem wir…

  • das Kind in einem guten Mass und bei guter Leis­tung loben.
  • die Selbst­dis­zi­plin stärken, also das Kind dazu anhalten, etwas zu üben, sich anzu­strengen, dran­zu­bleiben und erleben lassen, dass es damit etwas errei­chen kann.
  • Erfolgs­er­leb­nisse hervor­heben und feiern (Sport, Schule, neu erlernte Fähig­keiten): «Das kannst du gut», «Das hast du geschafft».

Selbst­wert­ge­fühl

Viel Selbst­ver­trauen zu haben, hilft leider nicht, das Selbst­wert­ge­fühl zu steigern.

Dazu fällt mir eine Szene aus dem Film «Cool Runnings» ein, in welchem der Trainer, ehema­liger Olym­pia­sieger, von seinem jamai­ka­ni­schen Bobpi­loten gefragt wird: «Warum hast du eigent­lich Doping genommen, nachdem du Olym­pia­sieger geworden warst, das verstehe ich nicht. Du hattest doch alles erreicht.»

Seine Antwort: «Wenn du ohne Olym­pia­sieg niemand bist, bist du auch mit Olym­pia­sieg niemand.» Der Olym­pia­sieg hatte zwar das Selbst­ver­trauen des Sport­lers gestärkt, aber ihm nicht zu einem gesunden Selbst­wert­ge­fühl verholfen.

Umge­kehrt kann ein gesundes Selbst­wert­ge­fühl dabei helfen, geringes Selbst­ver­trauen in einem Bereich auszu­glei­chen. Das ist so, weil ein Kind mit einem guten Selbst­wert­ge­fühl den Mut hat, etwas, was es nicht sofort kann, noch­mals zu versu­chen und nicht gleich denkt «Das ist sowieso umsonst, ich bin nicht gut genug.»

Dies ermög­licht es ihm, zu erleben, dass seine Fähig­keiten durch Üben verbes­sert werden, was dann wiederum das Selbst­ver­trauen in diesem Bereich stärkt.

Ein gesundes Selbst­wert­ge­fühl ist der wirk­samste Abwehr­me­cha­nismus gegen Schi­kanen, Mobbing, körper­liche Gewalt und persön­liche Kritik. – Jesper Juul

Beim Selbst­wert­ge­fühl geht es um die Frage: Wer bin ich? Wenn ich mich mit all meinen Eigen­heiten annehmen kann, wie ich bin, habe ich ein gesundes Selbst­wert­ge­fühl. Dann kann ich von mir sagen:

«Ich fühle mich gut, weil ich bin, wer ich bin.» «Ich fühle mich wert­voll, auch wenn die Dinge nicht immer so laufen, wie ich es mir vorstelle.» «Meine ganze Persön­lich­keit ist ok so wie sie ist, ohne dass ich etwas Bestimmtes leisten oder können muss.»

Mit einem gesunden Selbst­wert­ge­fühl erleben wir Konflikte und Kritik nicht als etwas Bedroh­li­ches und nehmen diese nicht persön­lich. Das hilft, reife Bezie­hungen einzu­gehen, begüns­tigt das soziale und kogni­tive Lernen und hilft auch dabei, Schwie­rig­keiten im Alltag gelas­sener zu meistern.

Das Selbst­wert­ge­fühl trägt somit mass­geb­lich dazu bei, dass wir uns als Menschen wohl fühlen und unsere Lebens­freude und ‑qualität steigt.

Das Selbst­wert­ge­fühl unseres Kindes wächst, wenn es sich von mindes­tens einer wich­tigen Person in seinem Umfeld bewusst «gesehen» und akzep­tiert fühlt, so wie es ist und wenn es erlebt, dass es für andere Menschen wert­voll ist, ohne sich verstellen, zu sehr anpassen oder etwas leisten zu müssen.

Wir stärken das Selbst­wert­ge­fühl unseres Kindes, indem wir…

  • die Eigen­heiten des Kindes annehmen.
  • ihm Eigen­ver­ant­wor­tung überlassen.
  • seine Grenzen und Bedürf­nisse ernst nehmen und in den Alltag einbeziehen.
  • dem Kind liebe­volle Blicke schenken.
  • gemein­same Zeit geniessen und mit dem Kind zusammen lachen.
  • präsent sind (ohne Handy) und dem Kind wirk­lich zuhören.
  • das Kind nicht mit anderen verglei­chen – es ist einzigartig.
  • das Kind darin bestärken, seinen Gefühlen zu vertrauen.

Natür­lich stärken wir das Selbst­wert­ge­fühl unseres Kindes auf viel­fäl­tige Weise auch über unsere Sprache. Dazu ein andermal mehr. Obige Ideen sollen zeigen, was wir ohne viele Worte mit unserer Haltung, Wert­schät­zung und Zuwen­dung zur Stär­kung beitragen können. Kinder lernen durch das, was wir tun, oft mehr als dadurch, was wir zu ihnen sagen.

«Selbst­wert­ge­fühl stärken» ist übri­gens eines der Themen, mit dem wir uns auch in meinen fami­lylab Eltern­gruppen ausführ­lich beschäftigen.

Lite­ra­tur­tipp: Dan Svarre, «Du bist einzig­artig» Starker Selbst­wert – starkes Kind

Passt zu diesen Themen: ,