Mein Kind hört mir nicht zu! Warum Brüllen keine Lösung ist

Bestimmt kennen Sie das: Ihr Kind scheint Sie in bestimmten Situa­tionen einfach nicht zu hören, während bei anderen Themen hingegen schon ein Flüs­tern reicht. So viel vorweg: Ihr Kind will Sie damit nicht ärgern. Fami­li­en­be­ra­terin Maya Risch erklärt, warum Brüllen nicht hilft und wie Sie in Zukunft gehört werden.

(Erst­mals erschienen auf www​.fami​li​en​leben​.ch)

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Ihr Kind hört Sie nicht, obwohl Sie gerufen haben? Dann suchen Sie den direkten Kontakt – wahr­schein­lich ist es vertieft und nimmt jegliche «Stör­ge­räu­sche» nicht wahr.

Ich habe einge­kauft, mir Zeit genommen, etwas Leckeres zu kochen, habe den Tisch schön gedeckt und freue mich auf ein gemüt­li­ches Essen mit meiner Familie. Ich rufe aus der Küche in die Wohnung: «Kommt essen!» Keine Reak­tion. Lauter: «Kommt Essen!» Keine Reak­tion. Lauter und aufge­bracht: «Jetzt kommt endlich essen! Immer muss ich euch tausendmal rufen! Könnt ihr nicht einmal zuhören wenn ich etwas sage?»

Meine Vorfreude sinkt, ich werde wütend, weil ich mich nicht gehört fühle. Wer kennt solche Situa­tion schon nicht?

Wenn die Schutz­hülle als Filter agiert

Wenn wir unser Kind rufen, errei­chen wir es manchmal nicht, weil es in seiner eigenen Welt ist, im Spiel, in einer Schutz­hülle und uns deshalb oft wirk­lich nicht hört. Das heisst, es hört uns physisch schon, diese Hülle filtert aller­dings alles heraus, was ihm gerade nicht so wichtig ist. 

Wenn das Kind Hunger hat und sich aufs Essen freut, wird es mich hören. So hört mein Sohn zum Beispiel immer, wenn ich von weit oder leise sage: «Willst du ein Eis?» Da er Eis liebt und natür­lich gerne eins haben will, ist diese Frage für ihn wichtig. Rufe ich hingegen «aufräumen» oder «Zähne putzen», ist das zwar für mich wichtig, aber nicht für ihn. Es wird von der Schutz­hülle weggefiltert.

Diese Hülle filtert alles, was für das Kind in dem Moment nicht wichtig ist, ohne Rück­sicht darauf, wie wichtig dies für den Spre­cher ist. Das Kind entscheidet also nicht aktiv, uns nicht hören zu wollen. Eine anschau­liche Erläu­te­rung wie diese Schutz­hülle funk­tio­niert, bietet der Film «Wege aus der Brüll­falle».

Wie Sie die Schutz­hülle durchbrechen

Was können wir also in so einem Moment tun, in denen das Kind uns nicht hört, wenn wir aus der Küche gutge­launt «Essen kommen» rufen? Lauter und genervt zu werden hilft jeden­falls selten.

Um das Kind zu errei­chen, müssen wir unsere Arbeit kurz unter­bre­chen und zum Kind hingehen. Wir müssen es aufsu­chen in seiner Welt und dort mit ihm Kontakt aufnehmen. Dann, wenn wir physisch ganz nah sind und viel­leicht sogar mit einer Berüh­rung Kontakt aufnehmen, spürt das Kind: «Aha, Mama/Papa ist da und will etwas sagen.» 

Manchmal reicht es, das Kind anzu­spre­chen mit: «Ich sehe, dass du spielst. Das ist ja ein neues Fahr­zeug, das du gebaut hast.» Pause. Warten, bis das Kind reagiert, mich anschaut oder etwas sagt, und dann erst sagen: »Hör mal, ich bin bereit mit dem Essen und will, dass du in die Küche kommst.» Manchmal müssen wir einen Moment Geduld aufbringen, wenn wir mit dem Kind Kontakt aufnehmen wollen, wir müssen ihm Zeit lassen, «auf Empfang» zu schalten.

Auf Empfang: Kurze Botschaften, langsam übermitteln

Früher hatte ich offenbar die Ange­wohn­heit, meinem Sohn eine Anwei­sung sehr wort­reich zu erteilen. Als ich das wieder einmal machte, indem ich sagte: «Komm bitte in die Küche, wasch dir die Hände und versorg vorher noch dein Spiel in den Schrank. Ach ja und ruf noch Papa, damit er auch kommt», sagte er mir: «Du redest viel zu viel auf einmal und viel zu schnell.» Das war ein lehr­rei­cher Moment für mich. Seither gehe ich oft zu ihm hin, setze mich zu ihm, lege ihm manchmal die Hand auf die Schulter
und warte, bis er von seinem Spiel aufschaut. Dann sage ich: »Kannst du bitte kurz zuhören?» oder «Ich will dir kurz etwas sagen.». Dann warte ich noch­mals kurz, bis er mir mit seinen Augen oder verbal ein «Ja, ich bin auf Empfang» schickt und rede erst dann. Ich bemühe mich, dann nur ein bis zwei Sätze zu sagen und keinen Roman von mir zu geben.

Dieses Vorgehen hat die Bezie­hung zu meinem Sohn enorm entspannt und auch meinen Mann erreiche ich so besser. Manchmal sind Rück­mel­dungen meiner Kinder wirk­lich ein wert­voller Hinweis und lehren
mich, etwas anders zu machen.

Klare Verein­ba­rungen helfen

Auch wenn sie uns gehört haben, tun Kinder deswegen noch lange nicht immer das, was wir ihnen sagen. Dann ist ein weiterer Schritt nötig. Nachdem wir uns verge­wis­sert haben, dass das Kind uns gehört hat, müssen wir verein­baren, wann es kommen oder etwas tun soll. Kinder – wie auch wir Erwach­senen – mögen keine Befehle, die verlangen, etwas sofort zu tun. Deshalb entspannt es die Situa­tion oft wenn wir, dem Kind etwas Zeit zu geben: «Wir essen gleich, ich will, dass du kommst.» «Ich will noch dieses Lego­auto fertig­bauen.» «Ok, und danach kommst du?» «Ja.» Ich kann auch sagen: «Ich warte noch bis die Sanduhr runter­ge­laufen ist (bzw. 5 Minuten), dann fangen wir an zu essen. Ich habe Hunger.»

Kommt das Kind dann noch immer nicht, ist es manchmal nötig, noch­mals hinzu­gehen, wieder Kontakt aufzu­nehmen und mit Nach­druck darauf zu bestehen, dass es jetzt kommt. «Das Lego­auto ist fertig. Komm jetzt!» Was, wenn das Kind immer noch nicht kommt? Dann ist es nötig, und ruhig und beharr­lich da zu bleiben und einzu­for­dern, was ich jetzt will. «Jetzt essen wir. Komm!»

Bessere Bezie­hungen dank entspannter Kommunikation

An diesem Punkt passiert es vielen Eltern dann, dass die «Wenn du jetzt nicht, dann ….» Drohung auspa­cken oder eine Strafe ausspre­chen. Das hilft zwar meis­tens, um unser aktu­elles Ziel zu errei­chen, schadet aber der Bezie­hung zum Kind.

Wenn wir bis hierher durch­halten, kommt das Kind meis­tens. Und wenn nicht, werden Sie fragen. Dann drücke ich auch mal meinen Unmut laut­stark aus: «Jetzt werde ich wirk­lich unge­duldig. Ich habe gekocht und will jetzt endlich essen. Ich mag nicht mehr warten und will, dass du auch kommst, und zwar jetzt!»

Übri­gens sind auch wir Erwach­senen nicht immer auf Empfang und hören manchmal nichts, wenn der andere etwas sagt. Auch in der Part­ner­schaft lohnt es sich, zuerst Kontakt aufzu­nehmen und einen Moment zu warten, bis der Partner, die Part­nerin reagiert, bevor wir anfangen zu reden, wenn wir gehört werden wollen.

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